Politik und Ökonomie – zentrale Faktoren von Armut und Gesundheit

Global Health Watch 2

 

Ein alternativer Weltgesundheitsbericht (2/3)

 

Globale Gesundheitssteuerung: Rechenschaftspflichtig gegenüber wem?

 

Die globale Gesundheitspolitik ist unnötigerweise verkompliziert worden, während es zugleich einen dringlichen Bedarf an klarer und effektiver Leitung, der Rationalisierung von Rollen, Verantwortlichkeiten und Mandaten gibt.

Eine Kombination von krankheitsspezifischen, vertikalen Initiativen, einzelgängerischen Gebern u­nd die Vervielfältigung von Projekten und privaten Gesundheitsdienstleistern hat die Verantwortlichkeit der Staaten und eine kohärente Entwicklung der Gesundheitssysteme untergraben.

Dem derzeitigen Entwicklungsansatz von Gebern und globalen Agenturen für Gesundheitssysteme fehlen Konsistenz und eine klare Vision eines guten Basisgesundheitsversorgungssystem (B1), wie es das seit langem von der WHO vertretende „District Health System“ darstellt.

Globale Gesundheitspartnerschaften wie z.B. der „Global Fund for AIDS, Tuberculosis and Malaria“ (GF) haben dazu beigetragen, dass inzwischen Millionen Menschen Zugang zu AIDS-Medikamenten, TB-Behandlungen und insektizid-behandelten Bettnetzen haben (D1.4). Der GF hat durch seine Länder-Koordinations-Mechanismen mit Einbeziehung der Zivilgesellschaft Partizipation und Transparenz gestärkt. Oft wurde dadurch jedoch eine parallele Struktur geschaffen, welche die Anstrengungen der Regierungen verdoppeln und

Zusatzkosten schaffen. Allerdings werden, trotz der Anstrengungen des GF, nicht nur vertikale Programme zu fördern, nur 13.1% der Zuschüsse aus der 7. Runde (2007) in die Stärkung der Gesundheitssysteme investiert.

Die „neuen Philanthropen“ sind neue globale machtvolle Akteure – allen voran die Bill and Melinda Gates Stiftung. Die Unterstützungsleistungen der Gates Stiftung mit ihrem Kapital von 29 Milliarden Dollar im Jahr 2005 sind unbestreitbar. Trotzdem gibt es legitime Befürchtungen, dass die Stiftung übermäßigen Einfluss auf die internationale Gesundheitspolitik nimmt, während ihr demokratische Strukturen und eine öffentliche Rechenschaftspflicht weitgehend fehlen (D1.3). Überdies gibt es Befürchtungen, dass sie einen einseitig technischen und vertikalen Ansatz zur Verbesserung der Gesundheit

vorantreibt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist bei der Ausführung ihres Auftrages, der Förderung von Gesundheit als fundamentales Menschenrecht und als eine Aufgabe sozialer Gerechtigkeit, mit großen Herausforderungen konfrontiert. Neue Akteure haben die Autorität der WHO untergraben. Seit 1990 haben Geber mehr zu speziellen Programmen als zum  Kernbudget beigetragen, was den Gebern eine größere Kontrolle über die Verwendung der Mittel gibt und damit die Organisation als ganzes anfälliger für Druck von Seiten der Geber und der Industrie macht. Die Diskussion nach der Weitergabe des von Indonesien, dem globalen WHO-Grippe-Überwachungsnetzwerk zur Verfügung gestellten, Vogelgrippe-Virus-Materials an einen Pharmakonzern - ohne Erlaubnis der Indonesischen Regierung - ist

dafür nur ein Beispiel. Die durch diesen Vorfall entzündete, anhaltende Debatte - welche die Fragen nach dem Recht souveräner Staaten auf ihre biologischen Ressourcen und der Ethik eines auf Patenten basierenden Systems der kommerziellen Impfstoffproduktion aufwirft -

unterstreicht, dass die WHO starke Unterstützung und Aufmerksamkeit brauchen wird um ein „moralischer Schiedsrichter in der internationalen Gesundheitspolitik“ (D1.2) wie auch eine weltweit anerkannte fachliche Behörde zu sein.

Die Gründung der WHO Kommission für die sozialen Bedingungen von Gesundheit (Commission on Social Determinants for Health) im Jahr 2005 war ein viel versprechendes Zeichen dafür, dass den ökonomischen, politischen und sozialen Faktoren von Gesundheit eine größere Bedeutung beigemessen wird. Der erste Interimsbericht (Juli 2007) betont die Bedeutung von Gerechtigkeit und Gesundheit als Menschenrecht, verfehlt jedoch die Analyse der politischen Prozesse die historisch Gerechtigkeit beeinflusst haben. Die WHO wird starke

Unterstützung brauchen um ihre Empfehlungen auch umsetzen zu können.

 

Politik und Ökonomie – zentrale Faktoren von Armut und Gesundheit

 

Die Weltbank schätzte im Jahr 2004, dass 2,55 Milliarden Menschen oder 40% der Weltbevölkerung unter der „2-Dollar-am-Tag“- Armutsgrenze lebten. Eine Zahl, die seit den 1980er Jahren beständig angestiegen ist. Eine realistischere Armutsgrenze von 2,80 bis 3,80

Dollar am Tag - eine Grenze unter der die Lebenserwartung nach allgemein anerkannten Schätzungen zu sinken beginnt - erhöht die Summe der in Armut lebenden Menschen sogar auf 51-60 % der Weltbevölkerung, oder 3,2- 3,8 Milliarden Menschen (A).

Während mehr Menschen durch die Steigerung der Lebensmittelpreise in Hunger und Armut gestoßen werden, geben die großen multinationalen Agrarkonzerne riesige Gewinne bekannt. Die von der unmoralischen und unverantwortlichen Geschäftspolitik von Banken und

anderen Kreditgebern verursachte, globale Kreditkrise ist Teil der neoliberalen Globalisierung, die riesigen Wohlstand für einige wenige gebracht hat, während sie die Mehrheit der Weltbevölkerung in Armut gefangen hält.

Dies zeigt klar, dass das dominierende Entwicklungsmodell nicht funktioniert. Dieses Modell favorisiert niedrige Haushaltsdefizite, eine strenge Währungspolitik, wettbewerbsfähige Wechselkurse, die Privatisierung staatseigener Firmen und des öffentlichen Dienstes, die

Abschaffung von Schutzmaßnahmen für heimische Landwirtschaft und Industrie und die Deregulierung von Preisen und Märkten (A). Dieses Entwicklungsmodell hat, angetrieben von finanziellen Zwängen und oft begleitet von einer Politik, die den öffentlichen Sektor geschwächt hat, zu einem heimtückischen Sog in Richtung Privatisierung - auch der

Gesundheitsversorgung - geführt. Liberalisierung und zunehmende Privatisierung haben den Umfang und die Art und Weise des Nahrungsmittelhandels und der Nahrungsmittelversorgung für die Mehrheit der Weltbevölkerung beeinflusst. Für ein durchschnittliches Entwicklungsland hat sich der Preis für Nahrungsmittelimporte gemessen am Bruttosozialprodukt zwischen 1974 und 2004 mehr als verdoppelt, während Exporte -

insbesondere von Früchten, Gemüse und Blumen - angestiegen sind (1980 – 2003) (C3). Die Exporte von verarbeiteten und weniger gesunden Nahrungsmitteln aus den entwickelten Ländern sind ebenfalls gewachsen. Diese Strukturen wurden angetrieben durch das rapide

Wachstum und den Einfluss transnationaler Nahrungsmittelkonzerne (Transnational Food Companies TFCs) seit den 1990er Jahren (C3).

Internationale Nahrungsmittelstandards beschränken sich oft auf die Anforderungen der TFCs und können damit schwerwiegende Hindernisse für die Fähigkeit der Entwicklungsländer, ihre eigenen, landwirtschaftlichen Produkte in nördliche Märkte zu exportieren,

bedeuten.

Zwischen 2001 und 2003 gab es weltweit bereits ca. 854 Millionen unterernährte Menschen (C3) während es bis 2015 voraussichtlich 700 Millionen fettleibige Menschen geben wird. Dieses Verhältnis ist offensichtlich inakzeptabel: Die Globalisierung hat es nicht geschafft,

gesunde und sichere Nahrung für alle bereit zu stellen.

Gesundheistförderliche Nahrungsmittelproduktion und Ernährung müssen daher eine Priorität globaler öffentlicher Gesundheitspflege sein. Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits jetzt in städtischen Gebieten. Während das natürliche Bevölkerungswachstum eine Ursache dieser

rapiden Urbanisierung ist, gab es auch vom Land in die Städte Migrationsbewegungen in großem Maßstab. Diese wurden verursacht von:

 

a) der “Modernisierung” ländlicher Gebiete für den Anbau von, für den Export bestimmten, Nutzpflanzen;

b) die erzwungene Umsiedlung ländlicher Gemeinden durch Bergbau und Staudammprojekte;

c) das Fehlen von Investitionen und Planungen seitens der nationalen Regierungen und

d) durch Krieg und Konflikte (C4).

 

Urbane Gebiete stehen vor der Herausforderung grundlegende Dienstleistungen bereitstellen zu können während gleichzeitig die physische und psychische Gesundheit der städtischen Bewohner von ihrer Umwelt, sozialer Ausgrenzung und dem Verlust sozialer Netzwerke

beeinträchtigt wird.

 

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